Ergänzende Ausführung zur Begründung
Als ich in die Situation kam, dass ich mir einen Beruf suchen musste haben mich verschiedene Faktoren beeinflusst. In meiner Schule war Gewalt an der Tagesordnung. Ich war auf einer Berufsbildenden Schule in Mainz und habe dort mein Abitur gemacht. Da es eine sehr große Schule ist, ist nur ein kleiner Teil der Schüler dort Abiturient. Der Großteil ist in einem Handwerklichen Fach in der Ausbildung und nur zur Berufsschule dort. Das hat zur Folge das sehr viele verschiedene Schüler dort sind, da jeder höchstens zwei Tage die Woche Unterricht hat. Das starke soziale Gefälle zwischen den Berufsschülern und uns Abiturienten führte zu einem immer größer werdenden Neid der Berufsschüler. So kam es immer wieder zu Angriffen gegen Mitschüler von mir. Angefangen hat es damit, dass sie einem Freund von mir völlig willkürlich eine Zigarette mitten im Gesicht ausgedrückt haben. Jedoch blieb es dabei nicht. Ein anderer Freund wurde auf der Toilette überfallen. Nachdem er seinem Angreifer schon vierzig Mark und etwas Kleingeld gegeben hatte, wurde es wegen zehn Pfennig die er in seinem Geldbeutel übersehen hatte zusammengeschlagen. Daraufhin ist aber gar nichts geschehen. Das einzige was unseren Lehrern einfiel war, uns zu verbieten während der Stunde auf die Toilette zu gehen. Außerdem durften wir in der Mittagspause auch nicht mehr durch das Schulgebäude gehen. Später kam es soweit, dass die Polizei mindestens zweimal die Woche bei uns in der Schule war, um zumindest einen kleinen Rest von Sicherheit zu gewährleisten. Aber immer wenn es zu einer Schlägerei auf unserem Schulhof kam, war sie natürlich nicht da. Jedoch hätten vier Polizisten ja auch gar nichts ausrichten können gegen zwanzig bis dreißig Schüler. Auf unserer Toilette wurde mit Drogen gedealt und einmal wollte mir sogar jemand ein Pistole verkaufen. Da meine Eltern mir durch ihre Erziehung einen Sinn für die Gemeinschaft mitgegeben haben und ich durch viele Zeltlager und Arbeit in Jugendgruppen des CVJM (Christlicher Verein Junger Menschen) auch stark durch christliches Gedankengut geprägt worden bin, wollte ich etwas dagegen unternehmen. Deshalb habe ich mich über den Beruf des Polizisten informiert. Ich wollte dafür sorgen, dass wieder mehr Recht und Ordnung herrscht in meinem Land. So wollte ich meinen Teil zur Gemeinschaft beitragen. Jedoch erfuhr ich dann das meine Berufsaussichten bei der Polizei sehr schlecht sind. Wenn man einmal Kommissar ist, dann gibt es keine Möglichkeit sich weiterzubilden. Daraufhin erkundigte ich mich was man noch in dieser Richtung machen kann. Genau zu diesem Zeitpunkt war bei uns in der Schule eine Ausbildungsmesse, auf der die Bundeswehr neue Offiziere gesucht hat. Dadurch erfuhr ich, dass es bei der Bundeswehr die Möglichkeit gibt zu studieren. Das kam meinen Wünschen schon eher entgegen, denn dadurch ist ein viel breiteres Spektrum abgedeckt. Denn mein Ziel war es nicht irgendwann auf einem Niveau stehen zu bleiben, sondern immer neue Herausforderungen zu bekommen und mich weiterzubilden. Jedoch habe ich erkannt, dass es der falsche Weg ist. Bei der Bundeswehr kann ich nichts für die Gemeinschaft leisten, dies ist viel eher auf sozialem Weg machbar. Auch kann man in einem Krieg nie sagen wer jetzt Recht hat. Immer führt dies nur zu toten Menschen und das Recht und Unrecht verschiebt sich nur. Dabei hat mich auch ein Gespräch mit meiner Mutter beeinflusst. Nach meinem Gelöbnis, dass in der Öffentlichkeit stattfand, sagte sie mir ich hätte einen völlig starren Blick gehabt beim Marschieren.
Noch dazu hat sie uns mit Maschinen verglichen. Nicht umsonst gibt es bei der Bundeswehr auch die Erklärung was denn Soldat eigentlich bedeutet. Nämlich „Soll ohne langes Denken alles tun.“ Deshalb habe ich mich auch schon nach anderen Mitteln und Wegen umgesehen, wie es möglich ist Probleme wirklich zu lösen und sie nicht nur durch Gewalt zu betäuben. Eine Anlaufstelle habe ich in der Politik gefunden, da ich seit kurzem in der Jungen Union tätig bin. Auch möchte ich in Zukunft wieder im CVJM mitarbeiten, denn ich habe mich durch mein Soldat sein von Gott entfernt. Dies merkte ich als ich im Sommer unser Zeltlager besuchte, denn in dieser christlichen Gemeinschaft habe ich Gott neu kennengelernt und ich weiß er wird mich wieder aufnehmen, damit ich in seinem Namen friedliche Lösungen finden kann. Das Erstemal das sich mein Gewissen geregt hat war, als ich in dem Film „Ein Soldat Namens James Ryan“ gewesen bin. Ganz am Anfang zeigt er in erschreckender Deutlichkeit die Landung der Amerikaner in der Normandie. Sie fahren mit einer Art Landungsboot auf die Küste zu. Gerade als sie die Klappen herunterlassen, um an Land gehen zu können, eröffnen die Deutschen von einer Klippe herunter das Feuer. Daraufhin sieht man wie die Körper der amerikanischen Soldaten von Kugeln nur so zerfetzt werden. Hunderte fallen diesem Angriff zum Opfer, auch diejenigen die sich unter Wasser flüchten werden nur so zerrissen. Dann schwenkt die Kamera um einhundertachtzig Grad und man sieht eine riesige Aufnahme des deutschen Schützen, der hinter einem Maschinengewehr liegt und alle diese Menschen gerade getötet hat. Als ich mir dieses Gewehr genauer ansehe erkenn ich mit Schrecken, dass ich nur zwei Tage vorher genau hinter dem gleichen Gewehr gelegen habe und Schiessübungen ausgeführt habe. Erst jetzt erkenne ich die Perversität die dahinter steckt, denn ich habe mich auch noch gefreut, dass ich diese Übung als einer der Besten absolviert habe. Bei der Bundeswehr wird versucht diese Übungen zu verharmlosen, indem man sie zu einer Art Wettkampf , wie im Sportschiessen hochstilisiert. Das hat auch mich fast darüber hinweggetäuscht, dass wir das nur machen um besser Menschen töten zu können. Jetzt habe ich es jedoch erkannt und kann nicht mehr daran teilnehmen, da mein Gewissen sagt: „Das darfst du nicht.“ Als ich in Rheine in der Halle stand und ein Fahrzeug für das Kosovo reparierte überlegte ich was passiert denn mit diesem Fahrzeug wenn es im Kosovo ist? Da sah ich eine schreckliche Szene vor meinem geistigen Auge. Ein deutscher Soldat der oben im Ausguck steht und ein Maschinengewehr auf der Lafette vor sich montiert hat. Dann wurde der Konvoi, im dieser LKW unterwegs war, von Serben angehalten. Auf einmal löst sich ein Schuss und ohne das er wusste woher der Schuss gekommen war feuerte der deutsche Soldat auf die Serben und es kam zu einem fürchterlichen und sinnlosen Blutvergießen. Dazu konnte es ja letztlich nur kommen, weil ich dieses Fahrzeug repariert habe. Ich habe also als kleines Rädchen in der großen Maschinerie Bundeswehr dazu beigetragen, dass Menschen gestorben sind. Auch wenn das bis jetzt nur in meiner Vorstellung geschehen ist, so kann ich doch nicht weiter dazu beitragen, dass es geschehen könnte. Diese Szene verfolgt mich jetzt immer wenn ich ein Gewehr sehe, oder das Knallen auf der Schießbahn höre, die direkt vor meinem Fenster ist.
Achtung !!!
Diese Begründung wurde von mir in dieser Form dem Ausschuss für Kriegsdienstverweigerung vorgelegt. Sie dient nur zur Information und darf auf keinen Fall wörtlich übernommen werden, da die Verweigerung sonst aus formellen Gründen abgelehnt wird. Die Begründung muss persönlich verfasst werden.